GESCHICHTSBAUSTELLE MATZLEINSDORFERPLATZ

In den Geschichtswerkstätten („Grabe, wo du stehst“) haben Laien und Wissenschafter_innen Lokalgeschichte, Alltagsgeschichte, Lebensgeschichte oder Arbeiter_innenGeschichte erforscht, neue Methoden der Geschichtsarbeit entwickelt und kollektiv Ausstellungen und Feste organisiert oder Publikationen herausgegeben.
An diese Geschichte knüpfe ich mit meinem Konzept der Geschichtsbaustelle („Baue, wo du stehst“) an.

Ich hab ein Oral-History Projekt konzipiert, in dem ich gemeinsam mit Bauarbeitern und Anrainer*innen des Platzes die Baugeschichte und Kulturgeschichte des Verkehrsbauwerks ab den 1950er Jahren erforschte. Wie arbeiteten die Arbeiter in den 1950, in den 1960er Jahren auf einer Baustelle und welchen symbolischen Stellenwerte besaß die Figur der Baustelle damals? Im Vergleich zum "Zeitzeichen Baustelle" (franz pröfener 1998) heute? Wie hat sich die Arbeit, wie haben sich die Arbeitsverhältnisse gewandelt? Was aßen die Bauarbeiter? Woher kamen die Bauarbeiter? Arbeiteten "Gastarbeiter" auf der Baustelle Matzleinsdorferplatz? Wie wohnten die Arbeiter? Wie begegneten sie dem errichteten Verkehrsbauwerk?

Auf der Geschichtsbaustelle Matzleinsdorferplatz kreuzen sich Lebenswege.

10 Gespräche bilden die Grundlage für die kleine Ausstellung. Josef Frank arbeitete Anfang der 1950er Jahre an der Unterfahrung Matzleinsdorfer Platz. Er mauerte Pfeiler für die Straßenbahn. Am Weg ins Kino Metropol blickte der junge Karl Nekvasil hinunter in die Baugrube am Matzleinsdorferplatz. In den 1960er Jahren wurde erneut gebaut. Die Gleise der Straßenbahnen wurden in den Untergrund gelegt, die "Rauchfangkehrerkirche" mitten auf der Wiedner Hauptstraße geschliffen. Leonhard Herczeg aus Güttenbach im südlichen Burgenland kam als Gleisleger auf den Matzleinsdorferplatz. In schwerer körperlicher Arbeit versenkte er mit seinen Kollegen die Gleise. Am Wochenende baute er mit seiner Frau am eigenen Haus. Ab 1959 wohnte Kurt Rohrauer im Theodor Körner Hof am Gelände des ehemaligen Heumarktes. Unmittelbar nach dem Krieg machte dort wiederholt der Zirkus Station. Kurt besuchte das Café oben im Matzleinsdorfer Hochhaus, spielte Schach und hörte Musik aus der Musikbox. Auch Norbert Hofer besuchte, aus Favoriten kommend, häufiger das Café. Am Weg zur Jazz-Messe von Kaplan Manfred Schwarz? Nora Sternfeld wohnt heute im Hochhaus. Das Café ist geschlossen - seit sie ein Kind ist erzählen sich Bewohner_innen des Hauses Geschichten vom Café. Wie schön wäre ein Café oben im Haus! Direkt am Matzleinsdorferplatz wohnt Pfarrer Michael Wolf, seine Tochter Hannah schrieb 2015 zur Matura eine Abschlussarbeit über die Geschichte des Matzleinsdorferplatzes. Sie leben am und mit dem Verkehrsplatz. Ihr Wohnumfeld ist erstaunlich nah der Natur. Ara Tarkhanian wohnt seit einem Jahr am Matzleinsdorferplatz. Er ist mit seiner Familie aus Aleppo geflohen. Im Gespräch fragt er mich, ob ich selbst am Matzleinsdorferplatz wohnen möchte? Ich kann die Frage nicht gut beantworten.

In der Ausstellung Geschichtsbaustelle Matzleinsdorferplatz stehen diese Lebensgeschichten im Verkehr - Interviewpassagen, Archivmaterialien und zeitgenössische Kunstwerke montiere ich zu einer Geschichte.

Was wird im Verkehr übertragen, was wird ausgetauscht? Welche technischen, sprachlichen, medialen und sozialen Voraussetzungen erschaffen so einen Ort? Und was wäre ein utopischer Verkehrsknotenpunkt? Wo transponiert das Bauwerk Matzleinsdorferplatz seine historische Grenz-Funktion? In welcher Weise kann man von einem sakralen, in welcher Weise von einem profanen Raum sprechen? Wie sieht die Verkehrsbaustelle 2020 aus? Wenn Geschichte blüht. Wenn Ordnung in Frage steht, wenn weniger Männer und viele Frauen den Platz erfinden und bauten! Was wäre das für ein Platz?

Dort wächst eine schöne Distel!

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ERÖFFNUNG: 15. März 2016 | 19:00 UHR

ORT: FZHM - Forschungszentrum für historische Minderheiten | > Kohlgasse 27-29 - 1050 Wien

KURATORENFÜHRUNG:
# 17. März 16:00 UHR;
# 21. März 18:00 UHR;
# 22. März 12:00 UHR

[super eröffnung mit sehr interessanten menschen. danke!]
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[in kooperation mit dem forschungszentrum für historische minderheiten]

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[finanziert durch shift, 5.bezirk, 10.bezirk und bmukk.]


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[medienpartner:]


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[hauptsponsor: matzleinsdorf]